Vom Preis des Fortschritts

Eine Sache tun heißt: andere lassen. In der Entscheidung gegen Optionen glauben wir an deren Unterlegenheit im Vergleich mit dem gewählten Weg. Im Rückblick indes, angesichts der Geschichte unseres Erwägens, Wählens und Handelns, stellt sich die Angelegenheit oft anders dar. Nicht nur treten an ausgeschlagenen Möglichkeiten zuweilen neue Qualitäten zutage. Es werden auch Wege sichtbar, die zum Zeitpunkt unseres Entschlusses verdeckt waren und an deren Gangbarkeit wir nicht einmal dachten. Ist diese praktische Reflexion in irgendeiner Weise für Historiker lehrreich? Bietet sie eine Alternative zur Konstruktion aufsteigender Entwicklungsreihen? Vermag sie Sachverhalte der Musikgeschichte in neuer Weise aufzuschließen, sofern wir nicht voraussetzen, deren Ablauf sei unvermeidlich? Die Herausgeber des vorliegenden Bandes vermuteten und vermuten, ein Zugang zu musikhistorischen und musikästhetischen Fragen, der sich jener Reflexion als Analogon bedient, könne fruchtbar sein. Inhaltsverzeichnis: ANDREAS HAUG / ANDREAS DORSCHEL: Vorwort 9 ANDREAS HAUG: Gewinn und Verlust in der Musikgeschichte 11 ANDREAS DORSCHEL: Historische Konjunktive. Zur Geschichtsschreibung des Möglichen 33 ANDREAS DORSCHEL: Historical Subjunctives: Eight Theses on Understanding Past Possibilities 53 MAX HAAS: Musik als Werk. Leseversuche eines unklaren Problems 55BARRETT: Reflections on Music Writing: Coming to Terms with Gain and Loss in Early Medieval Latin Song 89 SUSAN RANKIN: Thirteenth-Century Notations of Music and Arts of Performance 110 ROB C. WEGMAN: Roads Taken and Not Taken in Medieval Music:The Case of False Counterpoint 142 BIRGIT LODES: Musikdruck als Medienrevolution? Das ‚Ereignis‘ Petrucci 161 WOLFGANG AUHAGEN: Fortschritte und Rückschritte bei der Entwicklung von Stimmungssystemen seit dem 16. Jahrhundert 195 BETTINA VARWIG: ‘New Music’ in the Early Seventeenth Century 212 MARGARET MURATA: From Il Cortegiano to The Spectator, or Weighing the Unintended Transformations of Monody 232