Es ist die Poesie des Rinnsteins, die Hans Ostwald (1873–1940) zusammengetragen hat: derb, skandalös, erotisch und anrüchig, von der Landstraße, aus Gefängnissen und verrufenen Großstadtquartieren – von den Rändern der Gesellschaft. Hier wurden sie zum ersten Mal zu Literatur: die Lieder der Vagabunden, der von der Gesellschaft Ausgegrenzten; bettelnd, arbeitslos und sich prostituierend. Hans Ostwald hob sie aus dem Rinnstein der Gesellschaft ins öffentliche Bewusstsein – in vielfachen Buchauflagen. Hans Ostwald stammte aus einem Berliner Arbeiterhaushalt, sein Vater war Schmied, er wurde zum Gesellen im gleichen Metier, bald arbeitslos und vagabundierte als Gelegenheitsarbeiter. So begann seine eigentliche Lehrzeit fürs Leben: Er ging etwa 18 Monate lang »auf die Walze« und lernte auf diese Weise die Sprache der »Tippelbrüder«, ihre geheime Zeichensprache mit »Zinken«, ihr Rotwelsch, ihre Sprüche, Bräuche – und Lieder. Das war die maßgebliche Quelle seiner enorm erfolgreichen Lieder aus dem Rinnstein. Deren zwei Folgebände verdankten sich seiner Bitte, ihm weitere, ähnliche Lieder zu schicken, die er auf ihre Herkunft überprüfte – und jedem seiner Bände, so zu ermitteln, die Lebensläufe der Autoren beifügte. In seiner berüchtigten Rinnstein-Rede von 1901 forderte Kaiser Wilhelm II. eine Kunst, die »erhebt, statt dass sie in den Rinnstein niedersteigt«. Hans Ostwalds Lieder aus dem Rinnstein antworteten umgehend: Sie begründeten ein neues und erstmals schriftlich überliefertes poetisches Genre, »gleichartig mancher vollendeten Kunstpoesie« und gerichtet gegen diejenigen, »die stets nur auf dem Bürgersteig wandeln«. In den avantgardistischen oder heimlichen, zunächst als skandalös empfundenen Gruppen und Bewegungen der zu Ende gehenden Kaiserzeit und der Weimarer Republik wurden diese Lieder – oft verbunden mit einer »singbaren, weitverbreiteten Melodie« – rasch populär. Nach dem Ende des Nationalsozialismus belebten unter anderen Hein & Oss, Walter Moßmann oder Franz Josef Degenhardt diese Tradition neu. Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz haben aus Hans Ostwalds drei Bänden seiner Lieder aus dem Rinnstein (erschienen 1903–1906) die besten Texte ausgewählt und mit Kostproben aus Ostwalds 1910 erschienener Sammlung Erotische Volkslieder aus Deutschland bereichert. Dazu klärt eine Einführung über die Geschichte und Biographie von Hans Ostwald auf und kommentiert viele seiner Lieder. Heiner Boehncke (geb. 1944) und Hans Sarkowicz (geb. 1955) haben sich in den letzten Jahren in der Anderen Bibliothek mit detektivischem Spürsinn auf die Wiederentdeckung vergessener oder verdrängter Autoren und Autorinnen der deutschen Literatur spezialisiert. Zuletzt erregten sie Aufsehen mit dem Band Der fremde Ferdinand, einer Märchen- und Sagensammlung des verborgenen Bruders der Brüder Grimm. Ihr Liederbüchlein Schlimmer Gauner, schöne Lieder hat sie schon einmal in den Themenkreis der Vaganten- und Vagabundendichtung geführt. In ihren Büchern über Land- und Seeräuber räumten sie mit den Mythen vom guten Räuber auf, der seine Beute mit den Armen teilt. Heiner Boehncke war Professor für vergleichende und allgemeine Literaturwissenschaft an den Frankfurter Goethe-Universität und Gastprofessor am Leipziger Literaturinstitut. Er ist Mitglied des PEN und leitete bis 2021 das Rheingau Literatur Festival. Hans Sarkowicz war bis 2021 beim Hessischen Rundfunk, zuletzt verantwortlich für die Hörfunk-Kulturwelle hr 2. Als Lehrbeauftragter unterrichtet er an den Universitäten in Gießen und Frankfurt am Main. Bisher erschienen: Grimmelshausen (Band 323), Johann Kaspar Riesbecks Briefe eines reisenden Franzosen (Folioband, 2013), Monsieur Göthé (Band 391, zusammen mit Joachim Seng) und die Lebenserinnerungen des Malerbruders Ludwig Emil Grimm (Folioband, 2015) sowie Der fremde Ferdinand. Märchen und Sagen des unbekannten Grimm-Bruders (Band 428).
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