Tipcat

Ein Mann hört während seiner Arbeit, wie eine Kollegin stürzt und eilt ihr zu Hilfe. Sie ist unverletzt geblieben, hat aber einen Holzstiel zerbrochen. Der Mann nimmt den kurzen Stab mit nach Hause. Er führt ihn in seine Vergangenheit, denn er ähnelt einem Holzstück, das, auf dem Boden liegend, mit einem Stock hoch- und weggeschlagen werden muss. Der Tamile liebt dieses Spiel, das im Englischen Tipcat genannt wird und Cricket ähnlich ist. Es wird weltweit in vielen Ländern und mit sehr unterschiedlichen Regeln gespielt, hat eine lange Tradition und ist besonders in Südasien sehr beliebt. Bedingt durch den Bürgerkrieg in Sri Lanka musste der Mann als Zwanzigjähriger nach Deutschland fliehen; kaum angekommen, erblindet er infolge einer Krankheit. »Jedes Leben ist vorbestimmt«, ist seine Überzeugung, und er nimmt sein Schicksal an. Seine Würde und seinen Humor verliert er dabei nicht. Die ersten Jahre erhält er keine staatliche Unterstützung, bis er als Asylbewerber anerkannt wird. Bereits zuvor erlernt er die Sprache, die Blindenschrift, den Umgang mit dem Blindenstock und wahrt dadurch seine Eigenständigkeit. Er macht berufliche Ausbildungen in fremden Städten, arbeitet, gründet eine Familie. Auf seinem Weg wird er von Bildern und Erinnerungen an den Krieg begleitet. Getrieben von seiner Sehnsucht, möchte er aber irgendwann wieder nach Sri Lanka zurückkehren; ob und wie das überhaupt gehen soll, weiß er selber noch nicht.